19. Oktober 2019: Regis Breitingen
18 Uhr // Gemeinschaftsgebäude („Laube“) in der Wohnsiedlung Kuchenstück
Deutzener Straße hinter Nr. 68, 04565 Regis-Breitingen
In Kooperation mit dem Projekt INSIDE OUT und dem Kulturbahnhof e.V.
Zum dritten und vor erst letzten Mal macht „Kino in Bewegung“ Station in Regis-Breitingen, erneut in Kooperation mit dem Kulturbahnhof e.v. Im Rahmen dessen Projekt INSIDE OUT sind sieben Kunst- und Kulturschaffende von August bis Ende Oktober kurzzeitige Bewohner*innen der Stadt geworden. Sie forschen gemeinsam mit den Regis-Breitinger*innen nach Veränderungsprozessen in der Stadt, fragen nach Vergangenem, aber auch nach der heutigen Situation der Stadt und möglichen Zukunftsutopien. Vor dem Hintergrund, dass das einzige Kino in Regis-Breitungen seit Jahrzehnten geschlossen hat, hat der Architekt und Stadtentwickler Simon Korn für das Projekt das Kino als soziale Ort für die Monate September und Oktober zurück nach Regis-Breitingen geholt. Dafür hat er zusammen mit den Regis-Breitinger*innen eine Kino-Architektur entwickelt und gebaut, welche „Kino in Bewegung“ nun nutzen kann. Im Rahmen der wöchentlichen Filmvorführungen gestaltet „Kino in Bewegung“ nun zum zweiten Mal eine Vorstellungen:
Neben dem Tagebau ist für Regis-Breitingen die bereits 1957 auf dem Gelände eines ehemaligen Braunkohletagebaus errichtete Jugendstrafvollzugsanstalt Regis-Breitingen ein Thema, dass die Menschen in der Stadt beschäftigt. Nach eigenen Angaben ist die JSA Regis-Breitingen „zuständig für den Vollzug der Jugendstrafe an männlichen Verurteilten in Sachsen. […] Zu den Aufgaben gehören die sichere Unterbringung von Jugendstrafgefangenen ebenso, wie deren Erziehung und Befähigung, zukünftig ein straffreies Leben in sozialer Verantwortung zu führen.“ Der zunehmende Personalabbau und die damit einhergehende Auslastung führt aber offenbar zu immer mehr Problemen. „So ehrenwert der Einsatz der Kollegen zwischendrin ist“, sagt Dennis Naumann, Abteilungsleiter Funktionsdienst und Untersuchungshaft laut einem LVZ-Artikel, „sie setzen sich einer großen Gefahr aus. Bei vielen Gefangenen gibt es keinen Respekt mehr vor der Uniform, die kennen keine Grenzen.“ Im vergangen Jahr beschwerten sich Einwohner von Regis-Breitingen über das zunehmende Gebrüll und lautstarke Unterhaltungen aus dem Gefängnis. Das nächste Wohngebiet ist immerhin nur etwa 500 Meter Luftlinie entfernt. In eben dieser – „Kuchenstück“ genannten Wohnsiedlung – ist „Kino in Bewegung“ nun zu Gast:
Das Filmprogramm:
(1) EIN AUS WEG (Animationsfilm von Hannah Lotte Stragholz und Simon Steinhorst, 20 min, Deutschland 2016)
Zu kräftig farbigen Animationen, die an Gemälde erinnern, hören wir die Stimme des jungen Inhaftierten Alex K., der von seinem Leben zwischen Normalität und Diebstahl, Drogen und Liebe, Gewalttätigkeit und Sorgfalt erzählt. Während Alex K. dezent hoffnungsvoll in die Zukunft blickt, berichtet der um Dialog bemühte Kriminalhauptkommissar Werner B. nüchtern über die Justiz in Deutschland und seinen polizeilichen Alltag. Seine Prognose für Alex‘ Zukunft: in spätestens neun Monaten wird er wieder straffällig. Darauf wettet er ein Eis.
EIN AUS WEG gewann den Deutschern Kurzfilmpreis in Gold in der Sparte Animationsfilm 2016.
Trailer: https://vimeo.com/186863529
(2) MAKING OF BIG BUSINESS (Clemens von Wedemeyer, 27 min, Deutschland 2002)
(3) BIG BUSINESS (Clemens von Wedemeyer, 25 min, Deutschland, 2002)
Die Justizvollzugsanstalt Waldheim ist das älteste Gefängnis Deutschlands. In einem der Betriebe werden Gefangene damit beschäftigt, Häuser aufzubauen und sie nach getaner Arbeit wieder abzureißen. „Als wir die Halle besuchten, die direkt hinter unserem Filmset lag, wurde gerade an einer Musterzelle für den neuen Gefängnistrakt gearbeitet. Erprobt werden sollte hier, welche Möbel wie in einen Achtquadratmeterraum passen.“ (Aus: ‚The Making of Big Business‘)
In diesen Kontext verlagert Clemens von Wedemeyer das Remake eines Slapstick-Klassikers von Stan Laurel und Oliver Hardy namens ‚Big Business‘ (USA 1929, 23 min.): Stan und Ollie verkaufen Weihnachtsbäume. Als sie bei James Finlayson klingeln, weist er sie unfreundlich ab. Ein Streit entbrennt, in dessen Verlauf sowohl das Auto von Stan und Ollie als auch Finlaysons Haus und sein Klavier komplett zerstört werden.
In einer filmischen Idylle auf dem Hof des Gefängnisses wird ein Haus aufgebaut, ein Auto bereitgestellt, der Filmdreh beginnt. Das Projekt besteht aus dem Remake und einem Making-of, in dem sowohl der Filmdreh als auch die Souveränität des Gefängnisdirektors, des Künstlers und der Gefangenen hinterfragt sowie die Realität des ,gefangenen‘ Raums erkundet werden.
Zum anschließenden Gespräch ist u.a. der Künstler Clemens von Wedemeyer zu Gast.Mitarbeiter aus der JSA Regis-Breitingen wurden ebenfalls zum Gespräch eingeladen.